Dubrowstraße und Dubrowplatz

Auszug aus: Schlachtensee, Häuser und Bewohner der Villenkolonie, hrsg. von Henning Schröder† und Wolfgang Ellerbrock, Berlin 2012, (Schlachtensee-Ost) siehe auch: http://www.schroederniko.de/dubrow.htm

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Im Haus Dubrowstraße 6 wohnte von 1935 – 1943 der Jurist Hans Pfundtner, der zeitweise in Schlachtensee als Rechtsanwalt tätig war und unter den Nazis eine steile Karriere im Reichsinnenministerium machte. Als Staatssekretär konzipierte er mit dem Juristen Wilhelm Stuckart die Grundzüge der Nürnberger Rassegesetze. Pfundtner war auch stellvertretender Präsident des Organisationskomitees  für die XI. Olympischen Spiele 1936  in Berlin.

In ihrer Wohnung in der Dubrowstraße 14 versteckte am Kriegsende 1945 (24./25. April) die Stille Heldin Ruth Wendland** einen ihrer untergetauchten Schützlinge.

In seinen Lebenserinnerungen berichtet Wolfgang Hammnerschmidt von diesen beiden Tagen:

Kapitel 5  Die Befreiung

…. Am S-Bahnhof Schmargendorf stiegen wir um in die U-Bahn zur Endstation „Krumme Lanke“ in Zehlendorf. Der Zug fuhr, jetzt halbleer, bis er aus dem Untergrund ins Freie mußte: ab Dahlem fuhr er in einem Einschnitt unter freiem Himmel. An dem tummelten sich sowjetische Schlachtflieger in Sturzflügen und Angriffen auf Bodenziele. Minutenlang blieb der Zug auf freier Strecke stehen, alle Gespräche waren verstummt. Endlich erreichte er über „Onkel Toms Hütte“ die Endstation. Als wir den Bahnhof verlassen hatten, mußten wir uns sofort flach aufs Pflaster werfen, weil wieder JAK-Bomber mit knatterndem Mündungsfeuer über die Argentinische Allee rasten. Ich hatte meinen Koffer vor Ruth Wendland und mich gestellt, als könnten meine paar Kleider die Kugeln aufhalten.

Nach kurzem Marsch erreichten wir den S-Bahnhof Zehlendorf-West. Unter der Bahnüberführung war der Volkssturm gerade dabei, eine aus Bahnschwellen errichtete Barrikade zu schließen. „Da könnt Ihr nicht mehr hin, der Iwan ist schon in Teltow“, meinte der Wortführer der kleinen Gruppe. Ruth Wendland zeigte ihm ihren Kirchenausweis: „Wir müssen Kranke in der Dubrowstraße versorgen und kommen dann zurück,“ antwortete sie mit freundlicher Selbstverständlichkeit. „Hier kommt Ihr nicht mehr durch, wir machen jetzt dicht“, war die Entgegnung. Wir schlüpften ohne weiteren Widerspruch durch die letzte Lücke der Barrikade. Das jämmerliche Häuflein von Zivilisten mit den Volkssturm-Armbinden bestand aus etwa einem Dutzend Männer, teils Knaben von 15 Jahren, teils ihren Großvätern jenseits der 60. Sie hatten drei oder vier Panzerfäuste und nicht einmal einen Karabiner pro Mann.

Nach zweihundert Schritten waren wir am Ziel, dem Eckhaus Dubrowstraße / Eitel-Fritz Straße[1]. einem alten Villenbau mit Türmchen und Garten. Ruth Wendland schloß auf und nahm mich die Treppe hinauf mit in ihre kleine Wohnung im Turm des Hauses. Die Zimmer lagen übereinander. … Als sie mir einen Kräutertee brühte, hörten wir in der Nähe Granateinschläge. „Ab in den Keller!“ kommandierte die resolute Vikarin.

Unten waren die Hausbewohner versammelt, darunter ein Bankdirektor der Dresdner Bank dem ich vorgestellt wurde, einige Frauen und Mädchen, die Hauswartsfrau und der Hauswart, ein hagerer Mann mit der grauen Haut des Alkoholikers. Ihm fehlten einige Finger der rechten Hand. Er fragte sofort, wer ich sei und verlangte meinen Ausweis zu sehen. Ruth Wendland sagte, ich sei ausgebombt und ohne Papiere. Daraufhin nahm der Mann, der das Parteiabzeichen an der Arbeitsjacke trug, eine drohende Haltung ein. „Dann muß ich den Mann anzeigen,“ sagte er und verließ den Keller. Die Vikarin gab mir mit dem Kopf ein Zeichen, ihr zu folgen.

Sie ging wieder hinauf in ihre Wohnung, stieg eine Treppe hinauf in das Turmzimmer, von da durch eine Tür noch höher unter den Turmhelm.  … Aus einer Villa ganz in der Nähe auf der linken Seite der Dubrowstraße scholl lautes Gröhlen und dröhnende Grammophonmusik. „Dort feiert die SS Abschied“, kommentierte Ruth Wendland den Lärm. „Ich hoffe, die sind schon zu besoffen, um unseren feinen Hauswart zu begleiten!“

〈Es handelte sich um das Haus Dubrowstraße 21/23. Es wurde um 1924 für den Kaufmann (Bau- und Nutzholzhandlung) Otto Kersten gebaut. Dort wohnte ab 1936 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS August Heißmeyer (1898-1979(!)), Leiter des SS-Hauptamtes. Er war mit der Reichsfrauenschaftsführerin Gertrud Scjholtz-Klink (1902 -1999(!)) verheiratet. Ab 1942 wohnte dort SS-Brigadeführer und Generalmajpor der Waffen-SS August Frank (1898-1984(!)), Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungsamtes, Unter den Eichen 128 – 135. 〉

Dann hatte sie mit einem Griff eine schmale Metall-Leiter in eine Stange an der Holzkassettendecke des Aussichtsplatzes eingehängt. Sie hob mit der Hand ein Segment der Decke an und schob es hinauf. Aus ihrem Schlafzimmer im Turm holte sie einen dicken gesteppten Schlafsack und brachte ihn hinauf. Dann schickte sie mich in den Turmhelm. „Nehmen Sie die Leiter mit hoch, damit keiner hinauf kann, aber Sie herunterkommen, wenn Sie wollen. Und versuchen Sie, ein bißchen zu schlafen. Nehmen Sie den Pfefferminztee mit. Der wird Ihnen jetzt gut tun.“ – Ich kroch mit dem großen Teepott hinauf, zog die Leiter etwas ungeschickt nach, schob die Bodenplatte in die Öffnung. Es war noch hell, die Tage waren schon länger geworden. Durch einige Löcher im Turmhelm konnte ich den Himmel und Flugzeuge sehen. Aus dem Süden kam das ferne Grollen von Schüssen und das helle Geräusch von Panzerketten. Ich trank den warmen Tee und horchte auf das Grölen der SS-Meute. Dann übermannte mich die Erschöpfung. Ich kroch in den warmen, weichen Schlafsack und schlief wohl sofort ein.

Im Morgengrauen weckten mich laute Kanonenschüsse und das Klirren von Panzerketten. Ich kroch aus dem Sack und lugte durch die Löcher der fehlenden Schindeln. Mehrere Panzer feuerten in Richtung S-Bahn und fuhren weiter. Einer von ihnen mußte unmittelbar unter meinem Turm stehen; denn bei jedem Schuß spürte ich die Erschütterung und die Schindeln des Helms vibrierten laut. Ich öffnete meine Bodenklappe und schaute hinunter. Richtig: ein Panzer mit rotem Stern stand neben dem Haus auf der Straße. Im offenen Geschützturm ein Soldat mit Ohrschützern über der Kappe, ein weiterer Schuß donnerte aus dem Rohr. – Mit wenigen Handgriffen war die Leiter eingehängt, fünf Sprossen und ich stand auf dem Boden. Als ich die Tür öffne und hinuntergehe, liegt Ruth Wendland in ihren Kleidern auf dem Bett in tiefem Schlaf. Nicht einmal die Schüsse hatten sie geweckt. „Der Schlaf der Gerechten“, denke ich, als ich sie sanft wachrüttele. „Die Russen sind da!“ Sie ist sofort hellwach und steht auf.“

** zu Ruth Wendland siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Wendland

[1] Es ist das Haus Dubrowstraße 14 an der Ecke: Dubrowstraße/Rhumeweg, als Eigentümer ist im Berliner Adressbuch verzeichnet: Dr. Bernhard Bachstein, Kfm (Bayer. Platz 12) und als  Bewohner: H. Bartholdt, Parkwächter; Erich Dous, Senatspräs. a.D. …

aus: Wolfgang Hammerschmidt, Spurensuche   Zur Geschichte der jüdischen Familie Hammerschmidt aus Cottbus, Gießen 1996  (Psychosozial- Verlag), S. 79 – 81

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Auf dem Dubrowplatz war während des Krieges ein „Splittergraben“ angelegt worden als Schutz vor den Bombenangriffen. Bei dem Luftangriff am  28.03. 1945 trifft eine Bombe den Dubrowplatz direkt. Die Leiterin des evangelischen Kindergartens (Dubrowplatz 4) wird mit mehreren Kinder dort verschüttet und getötet.

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Die Nr. 45 – 51 gehören zur Reichbankssiedlung die von Heinrich Wolff 1928/29 erbaut wurde. Die Siedlung zwischen Dubrow- und Breisgauer Straße und Spanische Allee umfasst 56 Wohnung mit einer Wohnfläche von 7.500 qm. Die Gesamtfläche der Siedlung beträgt 20.000 qm.

Der Schlachtenseer Dietmar Simon, der mit seinen Eltern ab 1944 in der Dubrowstraße 44 (vorher in der Spanischen Allee) wohnte, berichtet in seinen Erinnerung von zwei Bunkern am Ende der Dubrowstraße.

Kinder-Schutzbunker Dubrowstr. 49 – 51

Unter den Häusern Dubrowstr. 49 – 51 (Reichsbanksiedlung) befinden sich besonders befestigte Kellerräume, die in der Kriegszeit unter Führung der NSV als „Kinderschutzbunker“ genutzt wurden. In der Zeit von Mai 1944 – bis Mai 1945 bin ich jeden Abend dorthin zum Übernachten gegangen. Es konnten dort schätzungsweise ca. 50-70 Kinder aus der Umgebung in doppelstöckigen Gitterbetten übernachten. Morgens verließen wir gegen 8 Uhr nach dem Frühstück den Bunker. Bei Fliegerangriffen wurde der Bunker auch von erwachsenen Anwohnern genutzt, auch bei Tagesangriffen, so daß er praktisch ganztägig zur Verfügung stand. Als die Russen kamen, versteckten sich in dem dunklen Bunker, elektrisches Licht gab es nicht mehr, zwischen den Gitterbetten auch Frauen, die ihre Gesichter mit Kohle geschwärzt hatten, um weniger gesehen zu werden und alt und hässlich zu erscheinen. Gleichwohl wurden 2 Frauen, die weiter vorne hinter Kindern hockten, von Russen mitgenommen.

Bau eines Tiefbunkers 1944/45

Gegenüber dem Haus Dubrowstr. 51 befand sich bis 1944 ein Waldstück, das sich in der Kaiserstuhlstr ca. 100 m bis zu den dort stehenden Reihenhäusern, von der Ecke Spanische Allee bis zur Schopenhauerstr und in dieser ca. 100 m erstreckte. Das Wäldchen wurde etwa Mitte 1944 weitgehend abgeholzt, es wurde mit Hilfe von russischen Kriegsgefangenen ein Tiefbunker aus Beton gebaut. Die Gefangenen wurden morgens in Kolonne die Dubrowstr aus der Richtung Zehlendorf-West herangeführt, abends in Richtung Zehlendorf-West abgeführt. Bewacht wurden sie von deutschen Soldaten. Zum Bau des Bunkers hatte man eine Lorenbahn mit Dampflokomotive von der Baustelle bis zum Bahnhof Schlachtensee die Kaiserstuhlstr., später auch in Richtung Zehlendorf-West die Dubrowstr. entlang eingerichtet. Der Bunker ist vor Kriegsende nicht fertig gestellt worden, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten schon genutzt. Der Bau war äußerlich wohl weitgehend fertig, aber noch nicht zugeschüttet. Dies geschah erst in den 50er Jahren. Später wurde er wieder zur Sprengung freigelegt, als die dort so um 1970 (?) errichteten Häuser entstehen sollten.

Für mich als Kind war der Bau des Bunkers hochinteressant. Wir Kinder bauten uns in den aufgeschichteten gefällten Baumstämmen Höhlen, ca. 6 m hohe Sandberge waren bis zum Straßenrand vor dem Haus Dubrowstr. 51 aufgehäuft. Der Lokführer nahm mich bisweilen auf seiner Lok mit – wohl nicht ganz erlaubt, denn manchmal sollte ich mich hinter dem Türvorhang verbergen, wenn ein Vorgesetzter kam. Russische Kriegsgefangene schnitzten aus Holz Spielzeug entsprechend russischer Volkskunst, das sie auch bemalten. Sie tauschten dies bei Kindern gegen Nahrungsmittel. (Einiges aus dieser Zeit besitze ich heute noch). Woher sie die Farben nahmen, weiß ich nicht. Der Herstellung der Schnitzarbeiten wurde von deutschen Wachsoldaten geduldet, es kam aber auch vor, dass alles beschlagnahmt wurde.

Kriegsgefangenenarbeiten