Marinesiedlung – Die Brandts in Schlachtensee

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Privatfoto DJ

An der Straße „Am Schlachtensee“ wurde im Bereich der Nummern 94 (östlich) – 122 (westlich) ab 1938 nach den Plänen des Architekten Erich Kühn (1902 – 1981) eine Wohnsiedlung  für die  seit 1933 massiv ver- größerte Marine gebaut und der Marinesteig 1 – 46 als Privatstraße angelegt.

Die Marinesiedlung umfasste das gesamte Areal der neuen Fischerhütte (Nr. 96) und bis zu den Flächen des Rust-Goldberg Hauses (Nr. 122), die abgerissen wurden.

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Das Haus Nr. 108 (heute Marinesteig  28)  blieb stehen.

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Die Grundstücke 116 – 122 gehörten der Familie Goldberg bzw. den Goldbergschen Erben. In welcher Weise die Grundstücke in den Besitz des Reichsfiskus (Marine) kamen, ist nicht bekannt. Allerdings wurde nach dem Krieg ein Teil des Grundstücks Nr. 116 (heute Nr. 34a) einem Familienangehörigen zurückerstattet. Das Geländer der Neuen Fischerhütte gehörte einer Wilmersdorfer Hochbaugesellschaft.

Auszug Adressbuch Berlin , https://digital.zlb.de/viewer/cms/155/

Von der ganzen Anlage der Neuen Fischerhütte ist nur das Haus am See mit dem Ruderbootverleih erhalten, den noch lange nach dem Krieg der Schlachtenseer Fischer Hensel betrieb. Bis 1944 fuhren auf dem Schlachtensee auch zwei kleine Motorboote, die u. a. an der Neuen und an der Alten Fischerhütte anlegten.

 

 

 

 

Der Bauträger der Marinesiedlung war die „Gemeinnützige GmbH zur Schaffung von Wohngelegenheit von Reichsangehörigen“. Die Siedlung wurde in offener Bauweise errichtet und besteht aus zweigeschossigen Doppelreihenhäusern und Vierfamilienhäusern mit Wohnungen von mehr als 100 qm. Alle Häuser haben ein Walmdach und wurden beige rauh verputzt.

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Quelle: Henning Schröder (†) und Hans H. Lembke, Schlachtensee-West, Häuser und Bewohner der Villenkolonie, Berlin 2010, S. 40

Der prominenteste Bewohner der Marinesiedlung war Willy Brandt (1913- 1992) mit seiner Familie, der dort von 1950 bis 1964  wohnte, ab 1955 im Haus Nr. 14 und dort auch blieb als er Regierenden Bürgermeister von Berlin (1957-1966) war.

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Über die „Brandts in Schlachtensee“  zu erzählen, ist nicht als Homestory über einen „von denen da oben“ gemeint, sondern ich will anhand dieser Familie auch ein Stück „Sozialgeschichte“ der damaligen Zeit im „gut-bürgerlichen“ Süd-Westen von (West)Berlin erzählen. Das Gefühl „von denen da oben“ war damals auch deswegen m. E. noch nicht vorhanden, weil es den krassen Unterschied von Arm und Reich, von Unten und Oben, wie wir ihn heute kennen, damals noch nicht gab. Mit fetten SUVs wurden die Straßen nicht zugefahren, ein VW-Käfer war für viele der Gipfel der Träume, und gab es wirklich einen Mercedes im Haus, so war es der absolute Höhepunkt eines Kindergeburtstags, wenn der Vater die ganze Korona in den Wagen zu einer Rundfahrt lud, am besten alle vier „Ohren“ des Zehlendorfers Kleeblatts rauf und runter.

Und diese Ruhe und gediegene Bescheidenheit prägte auch die Marinesiedlung, den die Berliner Zeitung vom 23.06.2010 so beschrieb: „Der charismatische SPD-Politiker wohnte während seiner Amtszeit als Präsident des Abgeordnetenhauses und später auch einige Jahre als Regierender Bürgermeister am Ufer des Schlachtensees  -in einer sicherlich bezaubernden Umgebung, aber doch volksnah und bescheiden. Zumindest wenn man heutige Maßstäbe anlegt. Mondän wirkt das Viertel nicht, aber adrett, wohnlich und geradezu ideal für Kinder.“Auch andere, die in der Marinesiedlung gelebt haben oder heute leben, haben dies gespürt und es ihr „Büllerbü“ in Berlin genannt.

 

Privatfoto DJ

Östlich von der Marinesiedlung, dort wo heute eine Grünfläche mit einem Spielplatz ist, stand vor dem Krieg das Ausflugsrestaurant:
Schloss Schlachtensee.

aus: Wolfgang Ellerbrock, Mönche, Fischer und Bürger, 100 Jahre Landhauskolonie Schlachtensee, Berlin 1995, S. 74

Die Gebäude standen am Hang und unterhalb gab es einen terrassenförmig angelegten Kaffeegarten, der bis zum Wasser reichte. Die Rest der Anlage wurden erst nach dem Krieg beseitigt und der Grünbereich angelegt.

aus:  Henning Schröder (†) und Hans H. Lembke, Schlachtensee-West, Häuser und Bewohner der Villenkolonie, Berlin 2010, S. 38