Entstehung von Schlachtensee (W. Ellerbrock)

1906 Villenkolonienkleinmit
aus: Hennig Schröder(†), Hans H. Lembke, Schlachtensee-West. Häuser und Bewohner der Villenkolonie, Berlin 2010, S. 10/11

Auszüge aus: Wolfgang Ellerbrock, Mönche, Fischer und Bürger, 100 Jahre Landhauskolonie Schlachtensee, Berlin 1995, (mariposa verlag, vergriffen)

Deckblattklein

 

Vor 100 Jahren wurde die Villenkolonie Schlachtensee-Ost gegründet. Dies ist nicht die Geburtsstunde des Ortes Schlachtensee. Die Besiedlung geht schon weit in die Vorzeit zurück. Aber erst mit der Gründung der Villenkolonie entwickelte sich eine kommunale Gemeinschaft.

Die Landhauskolonie Schlachtensee mit ihrem Zentrum in der heutigen Breisgauer Straße erstreckte sich von der Wannseestraße (heute: Spanische Allee) bis zum S-Bahnhof Beerenstraße (heute: Mexikoplatz) und vom Schlachtensee bis südlich der Potsdamer Chaussee. Ein Bahnhof, eine Kirche und eine Schule gehörten zum Ort. Berlin-Schlachtensee ist eine anerkannte Ortsbezeichnung, aber kein selbständiger Ortsteil. Auf Dokumenten und Landkarten erscheint die Bezeichnung Schlachtensee, genau eingrenzen läßt sich dieses Gebiet jedoch nicht. Lange Jahre lautete die Adresse auch bei Behördenschriftstücken „Berlin-Schlachtensee“.

Den Bürgern ist es jedoch nicht gelungen, Schlachtensee zu einem eigenständigen Ortsteil zu entwickeln, obwohl der Waldemarplatz mit der evangelischen Kirche als Anger und Gemeindezentrum angelegt war und ein Ortsverein sich für dieses Privileg eingesetzt hat. Heute gehört der östliche Teil von Schlachtensee zu Zehlendorf und der westliche Teil zu Nikolassee. Schlachtenseer haben aber heute noch einen ausgeprägten Sinn für ihr Gemeinwesen. Die Villenkolonie Schlachtensee war immer ein bevorzugter Wohnort. (S. 11) …

Archäologen gehen davon aus, daß es vor rund 350.000 Jahren erstmals Menschen im Schlachtenseer Raum gab. Da dieses Gebiet aber mehrmals vom Eis überfahren wurde, zuletzt vor rund 25.000 Jahren, sind Lagerplätze des eiszeitlichen Menschen zerstört und somit nicht mehr nachweisbar.

Die heutige Schlachtenseer Landschaft wurde von der letzten Eiszeit geformt. Beim Abschmelzen des Eises blieben langgestreckte, hintereinanderliegende Seen zurück. Es sind ehemalige Rinnen, in denen sich das Schmelzwasser der Eismassen gesammelt hat. Vor 12.000 Jahren glich diese Gegend einer Tundra. Die mittlere Julitemperatur betrug nur 10° C. Mit dem letzten Abschmelzen des kalten Inlandeises entstanden Bedingungen für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen. Es zogen kleine Gruppen von Rentierjägern durch die Landschaft. Funde im unmittelbaren Schlachtenseer Raum gibt es allerdings nicht. (S. 13) …

Schlachtensee im Mittelalter

Zu den nachweisbaren Siedlungen zählt das Dorf Slatdorp am Südufer des Schlachtensees (slat heißt im Slawischen „Uferbefestigung“). 1375 wird es im Landbuch Karls IV. noch als „Wüstung“ erwähnt, mit dem Zusatz „villa slavica“. Grabungen und archäologische Funde haben ein Zusammenleben von Deutschen und Slawen bestätigt.

1242 wurde Zehlendorf zusammen mit Slatdorp sowie den beiden Seen Slatsee (Schlachtensee) und Tunsen (Nikolassee) für 300 Mark Silber von den Markgrafen Johann I. und Otto III., die ständig an Geldnot litten, an den Abt von Lehnin verkauft. Im Jahr 1251 kam dann noch durch Kauf das Dorf Krummensee mit dem Krummen See (Krumme Lanke) dazu. Dieser Kaufvertrag von 1242 ist die erste bekannte urkundliche Erwähnung Schlachtensees.  (S. 20) …

Zehlendorf Mittelalter

Zehlendorf und die mittelalterlichen Dörfer (S.19)

Um 1300 sind die Dörfer am Slatsee und an der Krummen Lanke wieder aufgegeben worden. Die sandigen Böden waren nicht ertragreich genug. Der Wald eroberte sich seinen Platz zurück und gehörte zur Gemeindeflur der Zehlendorfer Bauern. Jahrhundertelang bildeten die unfruchtbaren Heide- und Waldgebiete gemeinschaftliches Wald-, Weide-, Bau- und Brennstoffreservoir. Auf ihnen hatten die Bauern Holz- und Weiderechte, auf dem Schlachtensee und der Krummen Lanke Rohr- und Fischereirechte. Landwirtschaftlich genutzt wurden lediglich die Wiesen in den Niederungen.

Die Bauern waren dem Kloster Lehnin abgabepflichtig. Das Kloster hatte im Mittelalter einen gewaltigen Besitz von nicht weniger als 64 Dörfern, 54 Seen und einer Stadt erworben. Mit dem Erwerb von Zehlendorf hatte es ein besonders gutes Geschäft gemacht, denn Zehlendorf war zu einem einträglichen Bauerndorf gewachsen. Für die Bauern war es wiederum günstig, daß der Herrschaftssitz nicht in der Nähe lag. Sie standen somit nicht unter unmittelbarer Aufsicht der Mönche. (S. 23) …

Schlachtensee im Wartestand

Der Schlachtensee war von 1242 bis 1539/42 im Besitz des Klosters Lehnin und wurde vom Klosteramt Mühlenbeck verwaltet. Anschließend war er bis 1872 im Besitz der Landesherren (erst des Kurfürsten, dann des Königs). Verwaltet wurde der See, ebenso wie das Dorf Zehlendorf, vom Amt Mühlenhof in Berlin. …

Ab 1756 gehörte der Schlachtensee als Erbpacht zum Lehnschulzengut Zehlendorf. … 1814 ging das Lehnschulzengut in den Besitz des Kommerzienrates Beer aus Potsdam über. 1836 kaufte der Amtmann Andreas Scharfe das Gut. Im Jahre 1850 erhielt es die ursprünglich in Erbpacht genommenen Seen durch ein Gesetz als Eigentum zugesprochen.

Das Lehnschulzengut war nunmehr zum größten Zehlendorfer Gut geworden und nahm fast die Hälfte der Zehlendorfer Feldmark ein. Durch Heirat übernahm es 1870 Julius Pasewaldt und kam damit auch in den Besitz des Schlachtensees. 1881, nach dem Tode Julius Pasewaldts, wurde der Gutsbetrieb eingestellt, und die einzelnen Teile des Gutes wurden verkauft. 1910 ging der Schlachtensee in den Besitz der Charlottenburger Wasserwerke und seit 1945 in den der Wasserwerke der Stadt Berlin über.

1759 entdeckten Fischer am Schlachtensee wieder das Gelände des um 1300 aufgegebenen Dorfes Slatdorp. Am nordwestlichen Ufer errichteten sie eine Hütte. Um 1801 lebten zwei Bewohner in dem Fischerhaus. Eine Straße (die heutige Fischerhüttenstraße) verband Zehlendorf mit der Fischerhütte.

Zur Alten Fischerhütte kam 1853 am gegenüberliegenden Ufer die Neue Fischerhütte, und die Einwohnerzahl erhöhte sich auf 7 Personen.

Alte Fischerhütte

Alte Fischerhütte 1863  (S.28)…

Landhauskolonie Schlachtensee

1874 wurde die Wannseebahn gebaut, die bei Zehlendorf von der alten Potsdamer (Stamm-) Bahn abzweigte und über Schlachtensee, Wannsee, Nowawes (heute: Babelsberg) nach Potsdam führte.

Diese Bahnverbindung wurde von verschiedenen Interessengruppen durchgesetzt. Dazu zählten Prinz Friedrich Karl, der eine bessere Anbindung seines Rittergutes Düppel an Berlin anstrebte, und Wilhelm Conrad, der Vorsitzende der Berlin-Potsdam-Magdeburger-Eisenbahngesellschaft und Gründer der Villenkolonie Alsen am Wannsee.

Die Planer wählten nicht die kürzeste Verbindung, sondern führten die Strecke im Bogen an den Schlachtensee und weiter nach Wannsee durch völlig unbesiedeltes Wald- und Ackerland. Im Bereich der Neuen Fischerhütte wurde ein kleiner Bahnhof gebaut – vermutlich, um vom Ausflugsverkehr zum Schlachtensee und dem bescheidenen neu errichteten Wirtshaus Neue Fischerhütte zu profitieren. Zur Gastwirtschaft kamen Vergnügungsetablissements. (S. 35) …

S-Banhof Schlachtensee

S-Bahnhof Schlachtensee 1896  (S.35)

Im April 1894 verzeichnet das Zehlendorfer Adreßbuch 35 Häuser am Wohnplatz Schlachtensee. Die Anlage der Wannseebahn brachte den Durchbruch für die Entwicklung des Dorfes Zehlendorf zum Vorort und auch für die Entwicklung des Wohnplatzes Schlachtensee zur Villenkolonie. (S. 36) …

Als erste Gesellschaft begann 1894 die „Villen-und-Landhaus-Bau-Gesellschaft Heimstätten AG“ mit der Erschließung des Grunewaldterrains in der Zehlendorfer Heide südlich des Schlachtensees für Bebauungszwecke. … Sie erwarb vom Prinzen Friedrich Leopold ein 30 ha großes Gebiet, das zum Gutsbezirk Düppel gehörte. Nach dem Kauf wurde das Gebiet nach Zehlendorf eingemeindet. (S. 45) …

Im Herbst 1894 begann die Bautätigkeit in Schlachtensee-Ost. Das lang-gestreckte, drei Straßen breite Gebiet zwischen dem Schlachtensee und der Potsdamer Chaussee mit der Adalbertstraße (Bergengruenstraße), Eitel-Fritz-Straße und Friedrich-Wilhelm-Straße (Ahrenshooper Zeile) wurde von der Heimstätten AG mit Landhäusern bebaut, die im Vergleich zu den späteren Bauten in den anderen Kolonien kleiner und einfacher waren.

Bebauung ab 1875
Quelle: Historischer Atlas Berlin-Zehlendorf, 1992,S. 38 Messtischblatt Teltow 1901, Bearbeitung: DJ

Diese Kolonie Schlachtensee-Ost war vorzugsweise für den Mittelstand, auch den unteren Mittelstand bestimmt. Die fast durchweg für eine Familie errichteten Häuser enthielten meistens nur drei bis vier Zimmer und Nebenräume. Die Gärten waren zwischen 400 und 900 qm groß, eine Fläche, die noch die volle wirtschaftliche Ausnutzung ohne fremde Arbeitskräfte zuließ.

 

Die Vorgehensweise der Heimstätten AG unterschied sich von der anderer Terraingesellschaften insoweit, als sie es nicht allein bei der Aufschließung des Geländes beließ, sondern vorrangig bebaute Grundstücke verkaufte. …

In einer Werbebroschüre begründet die Heimstätten AG 1895 die besondere Lage der Kolonie Schlachtensee-Ost:

„20 Minuten-Verkehr mit Berlin. In 34 Minuten vom Berliner Wannsee-Bahnhof und in 4 Minuten vom Bahnhof Schlachtensee auf dem neu angelegten, längs der Bahn führenden Fußwege zu erreichen; zwischen Wannseebahn und Potsdamer Chaussee mitten im Walde gelegen, angrenzend an reguliertes und bebautes Villenterrain. Zur Gemeinde Zehlendorf gehörig. Privatschule für Knaben und Mädchen bis 12 Jahren in der Kolonie. Gymnasium, Knaben- und Mädchenschulen im nahen Zehlendorf. Badeanstalt im Schlachtensee. Gas- und Wasserleitung. Elektrische Beleuchtung in Vorbereitung. 40 Villen, welche zum Teil bewohnt sind, zum Teil im Laufe des Jahres 1897 bezogen werden. Außerdem wohnen 60 Familien in Schlachtensee. In allernächster Nähe der Schlachtensee, die Krumme Lanke, die Havel, der Wannsee.“

Haus Ahrenshooperzeile

Haus Grundriss(S. 47)

Im Jahre 1897 standen bereits 40 Villen, und während der erste Teil der Siedlung gebaut wurde, kaufte die Gesellschaft 1898 das Gebiet nördlich der heutigen Spanischen Allee bis zum südwestlichen Ufer des Schlachtensees mit einer Fläche von 20 ha, das zum Gutsbezirk Düppel gehörte, hinzu (Heimstätten West). Auch dieses Gebiet wurde nach Zehlendorf eingemeindet.

Ein besonderer Ortsteil, Schlachtensee, entwickelte sich mit der Viktoriastraße (Breisgauer Straße) als Hauptstraße und dem Bahnhof Schlachtensee – dem einzigen Bahnhof zwischen Wannsee und Zehlendorf. Die Bahnhöfe Nikolassee (1902) und Zehlendorf-Beerenstraße (1904) kamen erst später hinzu. Heute wird die Kolonie Schlachtensee-West dem Ortsteil Nikolassee zugeordnet. (S. 54) …

Das Bautempo in Schlachtensee schritt voran, und man zählte 1898 in 162 Haushalten 800 Bewohner, 1900 in 261 Haushalten 1.334 Bewohner, 1902 in 352 Haushalten 1.608 Bewohner, 1904 in 418 Haushalten 2.143 Bewohner. Die Preise der Baugrundstücke waren auf das Publikum, auf das man Wert legte, abgestimmt. Der Quadratmeterpreis begann bei acht Mark (Gold) und stieg in den Spitzenlagen am Schlachtensee auf bis zu zwanzig Mark (Gold). Ein solides Haus kostete etwa fünfzigtausend Mark (Gold). (S. 55) …

Die örtlichen Belange der Einwohner wurden von einem Ortsverein vertreten, der versuchte, auf die Zehlendorfer Gemeindevertretung einzuwirken. Gegründet wurde der Ortsverein Schlachtensee am 14. 12. 1896 unter dem Vorsitz des Apothekers Ziethen. … Auf der Gründungsversammlung zählte der Verein 41 Mitglieder. 1899 hatte er schon 199 Mitglieder; im Vorstand saßen die Herren Ziethen (Vorsitzender), Schacht, Genske, Plessow, Moniac und Küll.

Auf der Jahresversammlung 1902 zählte der Verein bereits 258 Mitglieder, und der Vorsitzende Ziethen konnte im Rechenschaftsbericht ausführen: „Dank der Anregungen und Bemühungen unseres Ortsvereins hatte sich Schlachtensee im vergangenen Jahre auf kommunalem Gebiete einiger Erfolge zu erfreuen. Wir nennen als solche die Durchlegung und Pflasterung der Georgenstraße [Dubrowstraße], die Pflasterung der Albrechtstraße [Ilsensteinweg], die Aufstellung neuer Straßenlaternen und dgl..

Die von uns erbetene ausgiebigere Besprengung der Straßen ist durchgeführt, das Papiersammeln auf den offenen Geländen von der Gemeinde übernommen und ein Gendarm stationiert worden. Auch wurde die Anstellung eines Parkmeisters perfekt, so daß sich unsere Anlagen sowie unsere Alleebäume nunmehr eines sachverständigen Schutzes werden zu erfreuen haben.“

Trotzdem blieben noch viele Wünsche offen. In einem Brief an die Zehlendorfer Gemeindevertretung faßten die Versammlungsmitglieder diese zusammen, wobei ausdrücklich betont wurde, daß sie keinerlei Vorrechte gegenüber anderen Gemeindeteilen in Anspruch nehmen wollten. (S. 59/62) [Z.B.]:

  1. Aus dem Ortsteil Schlachtensee ist unter Heranziehung der räumlich am nächsten liegenden Straßen gemäß § 51 der Landgemeinde-Ordnung ein eigener Wahlbezirk zu bilden.
  2. Die Bestrebungen des Ortsvereins um Errichtung einer wirklich gut und komfortabel angelegten Badeanstalt am südlichen Ufer des Sees und in der Nähe des Bahnhofs sind durch die Gemeinde-Organe mit allen Kräften und allen zulässigen Mitteln zu unterstützen. …(S. 62/63)
  3. Schließlich halten wir die Zahl der für Schlachtensee angestellten Nachtwächter für zu gering; sie bedarf einer Vermehrung.“

Hier werden in ganzer Breite die Probleme im Ortsteil Schlachtensee deutlich. Der Ortsverein Schlachtensee spielte in Zehlendorf schon eine wichtige Rolle. Die alteingesessenen Zehlendorfer verfolgten die Entwicklung in Schlachtensee allerdings skeptisch. Sie befürchteten eine Bevorzugung der Villenkolonie. (S. 64) …

1910 hatte der Ortsverein Schlachtensee schon über 300 Mitglieder. Im Vorstand saßen Direktor Backhausen als Vorsitzender, der Kaufmann Poschmann (stellvertretender Vorsitzender), Oberpostsekretär Dankwardt (1. Schriftführer), Kaufmann Moniac (Schatzmeister) und die Herren John (exped. Sekretär), Seemann (Uhrmacher), Gärtner (Oberstabsarzt a.D.) und Pauly (Direktor). 1914 waren 340 Mitglieder im Ortsverein. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte er seine Tätigkeit ein. (S. 65) …

Mariannenstraße
Altvater Straße/ Ecke Breisgauer Straße, S. 67

In Zehlendorf herrschte ein reges Vereinsleben. Vom Krieger- und Flottenverein bis zum Turnverein, vom Männergesangsverein bis zum Ortsverein reichte die Palette der Angebote. Einen besonderen Rang nahm der „Verein zur belehrenden Unterhaltung“ ein. Neben den zahlreichen Zehlendorfer Vereinen gab es auch einige spezifische Schlachtenseer Vereine:

  • Ortsverein Schlachtensee, seit 1896
  • 1903 gründete sich der Postunterbeamten-Verein Zehlendorf-Schlachtensee. Er hatte ca. 25 Mitglieder.
  • 1908 gründete sich der Gartenbau-Verein zu Schlachtensee. Er hatte ca. 20 Mitglieder. Vorsitzender war Herr Spretke, Heimstättenstraße 5. …
  • Gärtner-Verein Schlachtensee; Vorsitzender Paul Schenker, Kurstraße 2. …
  • Evangelische Frauenhilfe Schlachtensee; Vorsitzende war Gräfin Dohna.

Einige Schlachtenseer waren auch Mitglieder der Gemeindevertretung, so der Vorsitzende des Ortsvereins, Hauptmann a. D. Ziethen in der

  1. Wählerklasse (1898-1904), Direktor Backhausen (1910-1916); in der
  2. Klasse der Fabrikbesitzer Wulff (1902-1908), Graf zu Dohna (1906-1912) und in der
  • der Rentier Griebel (1910-1916). (S.66/67)

Der Ortsteil Schlachtensee war weit entfernt vom Gemeindezentrum Zehlendorf. Es mußten soziale Einrichtungen geschaffen werden.

Im Juni 1894 beschloß die Gemeindevertretung, „das bisher alljährlich nur für die Dauer der besseren Jahreszeit eingerichtet gewesene Postamt mit Telegraphenbetrieb und einer öffentlichen Fernsprechstelle soll nunmehr ganzjährig geöffnet bleiben.“

Auf seiner Oktobersitzung befaßte sich die Zehlendorfer Gemeindevertretung mit einem Gesuch des Herrn Dr. Lehmann und Genossen, betreffend die Aufstellung von Laternen in verschiedenen Straßen des Ortsteils Schlachtensee. Man beschloß, 5 Laternen aufzustellen. … (S.68/69) …

In der Viktoriastraße [Breisgauerstraße] etablierten sich ab 1896 zahlreiche Gastwirtschaften. Zu der größten gehörte der Schlachtenseer Hof in der Viktoriastraße 2. Am Bahnhof war der Gastwirt Dobberke, und in der Marianenstraße Nr. 8 [Altvaterstraße)]war das Wirtshaus Hohenzollern.

Immer mehr Ladengeschäfte ließen sich nun in der Viktoriastraße [Breisgauerstraße] nieder. Der Ortsverein gab jährlich eine Geschäftsempfehlungsliste heraus. 1904 gab es den Bäcker Messow, die Friseure Engel und Reichelt, die Blumenhandlung Meister, den Zigarrenhändler Lange, die Kolonialwaren- und Delikatessenhandlungen Bohlmann und Paersch, die Viktoria-Drogerie Markmann, die Eisenwarenhandlung Osche, den Schlächter Hoest, den Schneider Freymann, den Schuhmacher Taube, den Uhrmacher Kittmann und die Weinhandlung Bäcker. (S. 69) …

1896 ließ sich der erste Arzt, Dr. Viktor Lehmann, in der Viktoriastraße nieder, dem im Laufe der Zeit zwei weitere Kollegen, Dr. Theodor Wagner und Dr. Karl Gerson [Rolandstraße 2], folgten.

Im Juni 1890 wurden durch den Landwirt und Fuhrherrn Hermann Bethge die ersten Taxameter-Droschken in Zehlendorf in Betrieb genommen. Ein Stand war am Bahnhof Schlachtensee. …

1908 wurde in der Viktoriastraße ein neues Postamt gebaut und 1910 die Außenstelle einer Polizeiwache und Meldestelle.

Bohlmann

(S. 70) …

Die Kirchengemeinde Schlachtensee war ein fester Bestandteil des Schlachtenseer Gemeinwesens. Im Ortsteil spielte die Kirchengemeinde immer eine wichtige Rolle. Die Kirchengemeinde hat ihre Grundstücke und Gebäude aus öffentlichen Mittel und erheblichen Spenden der Ge­meindemitglieder erworben und errichtet.

In der Kaiserzeit waren die staatstragenden Schichten die Beamtenschaft, das Militär und die Kirche. Seit der Reformation war der Landesherr das Oberhaupt der Kirche, und sie war höchste moralische Instanz. Sie stand darum in hohem Ansehen und verstand sich selbst als Hort der Staatstreue.

Nachdem sich der Ortsteil Schlachtensee entwickelt hatte, richtete die Zehlendorfer Kirchengemeinde einen eigenen Schlachtenseer Gemeindebezirk ein und berief Pfarrer Anz zu dessen Betreuung. In der Schulbaracke in der Eitel-Fritz-Straße wurde sonntags der Gottesdienst abgehalten. Aus einem Gartenrestaurant mußten dafür jeweils die Stühle entliehen werden.

Kirche
Johannes Kirche, S. 82

Schon 1908 hatten sich die Schlachtenseer Bürger für einen Kirchenneubau eingesetzt. Es wurde ein Kirchbauverein gegründet, in welchem der Buchhändler Dr. Breithaupt und der Landrat a.D. Graf zu Dohna den Vorsitz übernahmen. Im Vorstand saßen weitere Regierungsräte, Direktoren und Fabrikbesitzer. Die Gemeindevertretung Zehlendorf wollte dafür ursprünglich den Dubrowplatz zur Verfügung stellen.

Nachdem die Kirchenleitung Pläne erstellt hatte, kam der Bauausschuß allerdings zu der Einsicht, daß ein so großes Bauwerk gegen das „Ortsstatut gegen die Verunstaltung von Ortsteilen“ verstoße. Als Ersatzstandort wurde dann der Waldemarplatz angeboten. Wunschgemäß wurde ein Gemeindezentrum mit Kirche im Landhausstil aus öffentlichen Mitteln gebaut.

Am 25. Juni 1911 wurde feierlich der Grundstein gelegt. Neben dem Minister für Unterrichtsangelegenheiten, dem Regierungspräsidenten, dem Generalsuperintendenten und anderen führenden Würdenträgern der Evangelischen Kirche durfte alles, was Rang und Namen in Zehlendorf hatte, drei Hammerschläge zur Weihe des Grundsteins vollziehen.

Ein Jahr später, 1912, wurde die Johannes-Kirche feierlich eingeweiht. Der Bau wurde mit öffentlichen Mitteln ausgeführt, die Innenausstattung von den Schlachtenseer Bürgern gespendet. Die Zehlendorfer Gemeinde spendete eine alte Glocke, die heute die älteste Kirchenglocke Berlins ist. Sie wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegossen und hing viele Jahrhunderte in der Alten Dorfkirche Zehlendorf. (S. 82/83, Ende des Auszugs)

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Wolfgang Ellerbrock wohnt in Schlachtensee und ist zu erreichen über:

ellerbrockwolf@ und dann gleich gmx.de