Idylle und Lager

Russenlager und Holiday Camp

Lager am Rande der Landhauskolonie Schlachtensee

1943Schlachtenseegraumit2

Auch in Schlachtensee gab es nach 1933 Lager und andere große Einrichtungen des NS-Staats. Bekannt sind mir bisher sieben:

1) Kriegsgefangen- oder Zwangsarbeiterlager („Russenlager“) in der Anackerstraße
(heute Urselweg)
2) Lager bei der „Reichsreiterführerschule“ (Rittergut Düppel) am Königsweg
3) Barackenlager des Oberkommandos des Heeres (OKH) als Ausweichquartier an der Benschallee
4) Kriegsgefangenlager Wiesengrund („Holiday Camp“) westlich davon an der Potsdamer Chaussee
5) Zwangsarbeiterlager der Organisation Todt im südlichen Teil der Wasgenstraße/ Potsdamer Chaussee
6) Zwangsarbeiterlager der Generalbauinspektion Berlin (GBI) nördlich davon Wasgen- /Tewsstr.
7) Zwangsarbeiterlager der Firma Joachim Fischer in der Stöckerzeile (heute Breisgauer Straße) am S-Bahnhof Schlachtensee.

Zu dem Bereich um die Potsdamer Chaussee mit den drei Lagern:
– Barackenlager des Oberkommandos des Heeres (OKH) als Ausweichquartier an der Benschallee
– Kriegsgefangenlager Wiesengrund („Holiday Camp“) westlich davon an der Potsdamer Chaussee
– Zwangsarbeiterlager der Organisation Todt im südlichen Teil der Wasgenstraße/ Potsdamer
Chaussee
gibt es mehrere Luftbildaufnahme. Die folgende Aufnahme stammt vom 19.April 1945 -also kurz vor Kriegsende- und zeigt die drei Lager mit den Zerstörungen durch Luftangriffe:

Das Copyright für diese Aufnahme liegt bei der Luftbilddatenbank Dr. Carls:
https://www.luftbilddatenbank.de/main/index.php
Bei Nutzungswünschen u.a. dort anfragen. Ohne Genehmigung darf das Bild nicht genutzt werden.


Die Geschichte dieser Lager bzw. das Schicksal der Menschen, die dort festgehalten wurden, zu erkunden, war mein Recherchevorhaben, das ich mit Hilfe anderer abschließen konnte.

So hat der Schlachtenseer Gerhard Reck die ausgehungerten russischen Zwangsarbeiter unter bewaffneter Begleitung auf ihrem Weg von der S-Bahn zu ihrem Lager im Urselweg auf den Treppen des damaligen Bahnhofs Zehlendorf-West gesehen. Diese Bild des Elends hat ihn nicht losgelassen, im Alter hat er es in einem Bild festgehalten:

Copyright: G. Reck, Schlachtensee

In der Zwischenzeit habe ich sowohl einen Artikel im Jahresband 2018 des Zehlendorfer Heimatvereins veröffentlicht als auch eine Broschüre erstellt, die in der Zwischenzeit vergriffen ist.

Deckel

Der erste Teil der Broschüre ist auf der Seite: Entstehung von Schlachtensee nachzulesen. Den Text des zweiten Teils finden Sie hier unter:  Manuskript5_16pt

Darin heißt es u.a.: „Wenn Leserinnen und Leser dieses Artikels dabei mithelfen, könnte auch die menschliche Seite dieses Kapitels Schlachtenseer Zeitgeschichte beschrieben werden.“ Daraufhin habe ich einen Bericht eines alten Schlachtenseers, Herrn Dietmar Simon, erhalten, der mit seiner Familie erst in der Spanischen Allee und dann in der Dubrowstraße (damals Schemannzeile) gewohnt und Kriegsgefangene in Schlachtenseer Straßen gesehen hat. Er berichtet:

„Kinder-Schutzbunker Dubrowstr. 51 – 49

Unter den Häusern Dubrowstr. 51 – 49 befinden sich besonders befestigte Kellerräume, die in der Kriegszeit unter Führung der NSV als „Kinderschutzbunker“ genutzt wurden. In der Zeit von Mai 1944 – bis Mai 1945 bin ich jeden Abend dorthin zum Übernachten gegangen. Es konnten dort schätzungsweise ca. 50-70 Kinder aus der Umgebung in doppelstöckigen Gitterbetten übernachten. Morgens verließen wir gegen 8 Uhr nach dem Frühstück den Bunker. Bei Fliegerangriffen wurde der Bunker auch von erwachsenen Anwohnern genutzt, auch bei Tagesangriffen, so daß er praktisch ganztägig zur Verfügung stand. Als die Russen kamen, versteckten sich in dem dunklen Bunker, elektrisches Licht gab es nicht mehr, zwischen den Gitterbetten auch Frauen, die ihre Gesichter mit Kohle geschwärzt hatten, um weniger gesehen zu werden und alt und hässlich zu erscheinen. Gleichwohl wurden 2 Frauen, die weiter vorne hinter Kindern hockten, von Russen mitgenommen

Bau eines Tiefbunkers 1944/45

Gegenüber dem Haus Dubrowstr. 51 befand sich bis 1944 ein Waldstück, das sich in der Kaiserstuhlstr ca. 100 m bis zu den dort stehenden Reihenhäusern, von der Ecke Spanische Allee bis zur Schopenhauerstr und in dieser ca. 100 m erstreckte. Das Wäldchen wurde etwa Mitte 1944 weitgehend abgeholzt, es wurde mit Hilfe von russischen Kriegsgefangenen ein Tiefbunker aus Beton gebaut. Die Gefangenen wurden morgens in Kolonne die Dubrowstraße aus der Richtung Zehlendorf-West herangeführt, abends in Richtung Zehlendorf-West abgeführt. Bewacht wurden sie von deutschen Soldaten. Zum Bau des Bunkers hatte man eine Lorenbahn mit Dampflokomotive von der Baustelle bis zum Bahnhof Schlachtensee die Kaiserstuhlstr., später auch in Richtung Zehlendorf-West die Dubrowstr.  entlang eingerichtet. Der Bunker ist vor Kriegsende nicht fertig gestellt worden, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten schon genutzt. Der Bau war äußerlich wohl weitgehend fertig, aber noch nicht zugeschüttet. Dies geschah erst in den 50er Jahren. Später wurde er wieder zur Sprengung freigelegt, als die dort so um 1970 (?) errichteten Häuser entstehen sollten.

Für mich als Kind war der Bau des Bunkers hochinteressant. Wir Kinder bauten uns in den aufgeschichteten gefällten Baumstämmen Höhlen, ca. 6 m hohe Sandberge waren bis zum Straßenrand vor dem Haus Dubrowstr. 51 aufgehäuft. Der Lokführer nahm mich bisweilen auf seiner Lok mit – wohl nicht ganz erlaubt, denn manchmal sollte ich mich hinter dem Türvorhang verbergen, wenn ein Vorgesetzter kam. Russische Kriegsgefangene schnitzten aus Holz Spielzeug entsprechend russischer Volkskunst, das sie auch bemalten. Sie tauschten dies bei Kindern gegen Nahrungsmittel. (Einiges aus dieser Zeit besitze ich heute noch). Woher sie die Farben nahmen, weiß ich nicht. Der Herstellung der Schnitzarbeiten wurde von deutschen Wachsoldaten geduldet, es kam aber auch vor, dass alles beschlagnahmt wurde.“

Kriegsgefangenenarbeiten

Nach dieser Beschreibung ist klar, dass die russischen Kriegsgefangenen, „die aus Richtung Zehlendorf-West kamen“, aus dem „Russenlager“ im Urselweg (damals Anackerstraße) kamen.

Über die spätere Nutzung des OKH-Lagers Düppel an der Benschallee als D(isplaced)P(eople)-Lager und dann als Flüchtlingslager für Menschen aus der SBZ bzw. DDR ist mehr bekannt. Ich habe aus dieser Zeit auch zwei Fotos. Wenn jemand darauf Personen erkennt o. a., auch die bitte ich, sich bei mir zu melden.

16 1952 Weihnachtsfeier in Düppel mit Mary Heilnerklein
17 1964 AbschiedvonDüppel

Und hier geht es  zu meiner privaten Homepage: www.jordandirk.de

Kontakt: schlachtensee  und dann gleich   @jordandirk.de