
Für die Rundgänge gibt es eine ausführliche Rundgangbroschüre:
Rundgangbroschüre 2022 , die auf der Seite der AG Spurensuche aufrufbar ist. Um die Internetsuche nach den Namen, die in dem Rundgang erwähnt werden, zu erleichtern, wird hier eine verkürzte Version eingestellt. Weitere Informationen erhalten Sie durch den Aufruf: 2022Rundgänge selber.
Im Folgenden werden zwei Rundgänge vorgestellt, die auch kombinierbar sind:
Rundgang 1 (östliche Route)
Rundgang 2 (westliche Route)
Sie führen an 13 Stellen mit Stolpersteinen vorbei. Auf dem Weg werden auch Häuser mit ihren BewohnerInnen genannt, die als Juden verfolgt wurden und vor denen (noch) keine Stolpersteine liegen. Die Rundgänge beginnen und enden an der evangelischen Johanneskirche in der Matterhornstraße 37.
Karte unter Nutzung von google maps erstellt, https://www.google.com/maps/@52.4370069,13.2221239,16z

Rundgang 1 (östliche Route)
(1) In der Ahrenshooper Zeile 35 wohnten seit 1927 Dr. Fritz Strassmann, einer der führenden Gerichtsmediziner, mit seiner Frau Rosalie und seinen Kindern.
Sein jüngster Sohn Dr. Reinhold Strassmann (1893-1944) arbeitete jahrelang als promovierter Mathematiker bei der Allianz-Versicherung. Er war mit Priska Albert verheiratet, sie lebten jedoch getrennt. Der Sohn kümmerte sich um die Belange des schwerkranken Vaters. Er war wie auch sein Bruder Georg schon kurz nach seiner Geburt evangelisch getauft worden und besuchte eine protestantische Grundschule. In Schlachtensee besuchte Reinhold Strassmann regelmäßig den Gottesdienst in der Johanneskirche und berichtete später in Briefen an seinen Bruder, der 1938 mit Frau und Sohn in die USA emigriert war, welch Trost und Ermutigung ihm dadurch zuteil wurde. Die Gemeindehelferin Hanna Reichmuth besuchte ihn wie andere „nicht-arische“ Christen regelmäßig.
Reinhold blieb bei seinem Vater, da für den schwerkranken Mann keine Aussicht auf Emigration bestand. Seine Hinfälligkeit bewahrte ihn auch im November 1938 vor der Verschleppung ins KZ Oranienburg. Er starb im Januar 1940. Seine Frau Rosalie war schon 1934 gestorben.
Im September 1939 erreichte Reinhold, dass die Nichte seines Vaters, Marie Gertrud Lewy-Lingen, und deren Mann Richard zu ihm ziehen durften. Sie hatten ihre Kinder 1939 nach England in Sicherheit bringen können, schafften es aber selber nicht mehr, in die USA zu emigrieren.
Dr. Richard Lewy-Lingen war bis zu seiner Zwangsentlassung 1936 Landgerichts- direktor. Als Richard und Marie Lewy die Aufforderung zur Deportation bekamen, setzten sie am 13. Oktober 1942 ihrem Leben ein Ende.
Nach dem Tod des Vaters 1940 hatte Reinhold versucht, noch ein Visum für die USA zu erhalten. Er bekam beim Konsulat die Vormerknummer 78.632 auf der Warteliste. 1941 wurde Reinhold gezwungen, das Haus in der Ahrenshooper Zeile zu verkaufen. Die Luftwaffe wurde der neue Eigentümer. Reinhold fand in Friedrichshagen eine neue Unterkunft.
Im Januar 1943 musste Reinhold Strassmann dann auch ins Bayerische Viertel ziehen und fand Zuflucht bei seinem Cousin Konrad Fraenkel. Gemeinsam leisteten sie dort Zwangsarbeit und gehörten zum Bombenräumkommando. Reinhold wurde mit dem 101. Alterstransport am 9. Februar 1944 vom Bahnhof Grunewald nach Theresienstadt deportiert, von dort am 23. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz und dort ermordet. Am 23.Oktober 2011 wurden die drei Stolpersteine vor dem Haus verlegt.
(2) Der nächste Stolperstein liegt vor dem Haus Ahrenshooper Zeile 43.
Hier wohnten Alice Hertz, geboren am 09.04.1872 in Hamburg, die zusammen mit ihrer Schwester Johanna Hertz, geboren am 08.09.1879 in Hamburg mit dem 67. Alterstransport am 25.09.1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 04.12.1942 ermordet wurde. Ihre Schwester wurde von dort 1944 nach Auschwitz in den Tod geschickt. Das Todesdatum ist nicht bekannt. Die Stolpersteine für die Schwestern Hertz wurden am 14.06.2021 verlegt.
Aus dem Gedenkbuch und den Transportlisten wissen wir, dass in diesem Haus auch Grete Reich, geboren am 20.12.1877 in Bischofswerder/West- preußen gelebt hat. Sie war Diplom-Handelslehrerin. Sie lebte vorher in der Argentinischen Allee 201, was ihr „letzter freigewählter Wohnort“ war. Nach der Karteikarte der Volkszählung von 1939 wohnte sie spätestens ab diesem Zeitpunkt in der Ahrenshooper Zeile 43 „bei Hertz“. Sie wurde von hier mit dem 9. Transport am 19.01.1942 nach Riga deportiert und dort ermordet.
(3) Vor dem Haus im Rhumeweg 23 liegt der Stein für Erna Fürstenheim. Er wurde am 15.06.2012 verlegt.
Über sie ist wenig bekannt, sie wurde 1877 in Berlin geboren und ist die Schwester von Frieda Fürstenheim. Beide galten trotz ihres christlichen Glaubens unter den Nazis als „Volljüdinnen“.
Erna Fürstenheim erblindete und als ihr 1939 das Zimmer in der damaligen Kossinastraße 23 gekündigt wurde, wandte sie sich an Friedrich von Bodelschwingh, mit der Bitte um Aufnahme in Bethel oder Lobetal, was nicht möglich war.
Sie zog dann mit ihrer Schwester Frieda Fürstenheim, die als ausgebildete Lehrerin ab 1939 an der vom Büro Grüber und dem Hilfswerk beim bischöflichen Ordinariat gegründeten „Familienschule“ und später an der 1. Jüdischen Volksschule bis 1942 tätig war, in die Lietzenburger Straße 34 und wohnte mit ihr bei Landgerichtsdirektor a.D. Dr. Dafis bis zu ihrer Deportation am 02. Juni 1942.
(4) In der Lindenthaler Allee 29 (damals Theodor-Frisch-Allee) wohnte die Familie Silbermann. Louis Leyser Silbermann, geb. 1879 in Schirwindt, hatte mit seinem Bruder Max zusammen eine Seidenwaren-Agentur, er versuchte sich 1938/39 durch Emigration nach Frankreich zu retten, wurde aber dort später im Lager Gurs interniert und ist im Lager Récébédou bei Toulouse am 14.12. 1941 umgekommen.
Seine Frau Charlotte Silbermann, geb. 1893 in Berlin, geb. Richter, konnte zusammen mit ihrem Sohn Alfred 1940 nach Argentinien auswandern und überlebten die NS-Zeit.
Der zweite Sohn Kurt emigrierte 1936 in die Sowjetunion. Er wurde dort 1938 vom NKWD verhaftet und aufgrund von Verleumdungen zum Tode verurteilt und am 07.04.1938 in Moskau (Butovo) erschossen. 1989 wurde er rehabilitiert.
Dort wohnte von Mai 1938 bis Juni 1939 auch Jenny Hirsch. Sie wurde am 16.6. 1921 in Tilsit geboren und lebte später in Königsberg. Als 16jährige zog sie von dort nach Berlin. In der Zeit von Juli 1939 bis Februar 1943 wohnte sie an verschiedenen Stellen in Berlin, zuletzt bei Moses in der Wullenweberstraße 7.
Sie wurde bis zu ihrer Deportation im Februar 1943 zur Zwangsarbeit bei Siemens-Halske verpflichtet. Am 4. Februar 1943 unterschrieb Jenny Hirsch die Vermögenserklärung, sie besaß zu diesem Zeitpunkt bereits nichts mehr. Wenige Tage danach wurde sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und von dort am 19. Februar mit dem 29. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet. Jenny Hirsch wurde nur 21 Jahre alt.
Die fünf Stolpersteine wurden am 31.03.2017 verlegt.
(5) Vor dem Haus Lindenthaler Allee 32 liegt der Stolperstein für Margarete Wolff, den Angehörigen am 13.05.2013 haben verlegen lassen. Sie wurde mit dem 61. Alterstransport am 10.09.1942 nach Theresienstadt deportiert und kam dort am 07.03.1943 um.
Sie war die Schwester von Dr. Ernst Wolff, dem Eigentümer der Lindenthaler Allee 32. Er emigrierte 1939 nach London, wo seine Frau bei einem deutschen Luftangriff ums Leben kam. Margarete Wolff blieb in Berlin und wurde deportiert. Dr. Ernst Wolff kam nach dem Krieg nach Deutschland zurück und wurde Präsident des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone.
(6) In der Niklasstraße 5 wohnten Georg und Hedwig Flatow mit ihrer Tochter Ilse.
Sie waren zwei deutsche Sozialdemokraten, die „glücklich waren, sich an der schrittweisen Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung beteiligen zu können“ und dann ab 1933 brutal erfahren mussten, dass sie als Juden rechtlos und unerwünscht waren und auch als Sozialdemokraten verfolgt wurden.
Dr. Georg Flatow war Jurist und hat ab Dezember 1918 der sozialdemokratischen Reichsregierung in verschiedenen Funktionen gedient, zuletzt als Ministerialrat im Preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und Arbeit. Er war der führende Kommentator des Betriebsrätegesetzes von 1920, auf dem noch heute unser Betriebsverfassungsgesetz aufbaut.
Hedwig Flatow, geb. Wiener war ausgebildete Sprachlehrerin und war sowohl im pädagogischen wie im sozialen Bereich tätig, u.a. als Dezernentin in der Städtischen Hinterbliebenenfürsorge.
Im „Haus Flatow“ in der Niklasstraße 5 traf sich regelmäßig ein Kreis gleichgesinnter Sozialdemokraten wie Otto Suhr und Ernst Fraenkel.
Nach der Pogromnacht im November 1938 wurde auch Georg Flatow in das KZ Sachsenhausen verschleppt und kam durch die Zusage, umgehend Deutschland zu verlassen, im Dezember wieder frei. Im Februar 1939 emigrierte die Familie mit Hilfe eines guten Freundes nach Amsterdam. Dort beteiligten sie sich aktiv am Aufbau des „Werkdorp Wieringen“, einem Ausbildungslager zur Vorbereitung vor allem deutscher Juden auf die Auswanderung nach Palästina. Georg und Hedwig Flatow konnten diese Möglichkeit nicht nutzen, sondern wurden nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen im September 1943 im Sammellager Westerbork – wie Alfred Casparius – interniert und von dort nach Theresienstadt deportiert.
Am 12. Oktober 1944 brachte sie dann ein Transport nach Auschwitz. Der Rabbiner Leo Baeck, ein Cousin von Hedwig Flatow, hat sie in Theresienstadt bei ihrem letzten schweren Gang zu den Waggons begleitet.
Die Tochter, die nach England emigrieren konnte, setzte diesen Tag als Todesdatum fest.
70 Jahre später wurden am 12. Oktober 2014 die drei Stolpersteine vor dem Haus Flatow in der Niklasstraße 5 verlegt. Der bisher namenlose Platz an der Lindenthaler Allee/Ecke Niklasstraße (siehe (c)) wurde auch nach ihnen benannt.
(7) Niklasstraße 21/23: Hier lebte Fritz Ascher im Haus seiner Eltern. „Er war einer der Berliner Expressionisten, der in den Salons der Weimarer Republik so geschätzt wurde wie George Grosz, Otto Dix oder John Heartfield“, schreibt der Tagesspiegel über ihn. Er wurde nach 1933 von den Nazis verfolgt, verhaftet und konnte untertauchen.
Fritz Ascher überlebte, konnte aber an seine Zeit vor den Nazis nicht mehr anknüpfen und starb krank und vereinsamt 1970 in Berlin. Der Stolperstein für ihn wurde am 21.02.2018 verlegt.
(8) Lachmann In dem 1924 erbauten Doppelhaus in der heutigen Bergengruenstraße 57 lebten Leopold und Rosa Lachmann, geb. Abraham. Es war ihr „letzter frei gewählter Wohnsitz“, bevor sie mit dem Transport DA 26 am 17.11.1941 von Berlin nach Kowno/Kaunas in Litauen deportiert wurden. Der Transport umfasste insgesamt 1.006 Personen. Bisher konnten 812 Namen eruiert werden. Alle Personen dieses Transports wurden am 25.11.1941 ermordet.
Leopold Lachmann war von Beruf Fleischer, wie sein Vater, der in Filehne /Provinz Posen eine Landhandlung betrieben hatte. Ihr Sohn Manfred war mit der Gefangenennummer 12199 im KZ Sachsenhausen vom 27.07.1938 bis 22.11.1938 inhaftiert. Ihm gelang im Jahr 1938 direkt nach der Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen die Flucht in die USA. Er erreichte Los Angeles am 25. Dezember 1938 und heiratete dort 1948 Ilse Kornberg, die mit ihrer Mutter aus Hannover in das Ghetto Riga deportiert worden war und von dort über die Lager in Hamburg- Fuhlsbüttel und Kiel-Hassee nach dem Ende der Naziherrschaft mit Hilfe des schwedischen Roten Kreuzes 1945 in die USA emigrieren konnte.
Im Haus Bergengruenstraße 57 lebte seit 1934 auch der namhafte Jurist
Dr. Siegfried Loewenthal, der bereits 1933 seine Stellung als Landgerichts- präsident verlor. Er unterstütze jüdische Mitbürger unentgeltlich mit juristischem Rat und konnte mit Hilfe seiner Familie und Freunde überleben. Er wurde nach 1945 Präsident des Berliner Landgerichts.
Gleichzeitig war er Herausgeber der hoch angesehenen Juristischen Rundschau und machte sich um den Wiederaufbau der Berliner Justiz nach dem 2. Weltkrieg verdient. Er starb am 18. März 1951 in Berlin. Sein Grab und das seiner Ehefrau befinden sich auf dem Waldfriedhof Berlin-Dahlem.
Die vier Stolpersteine wurden am 23.05.2019 verlegt.
(9) Vor dem Haus im Ilsensteinweg 11 liegt ein Stolperstein für den Eisenbahner-Gewerkschafter Otto Janssen, der aufgrund seiner politischen Gesinnung von den Nazis verfolgt und ermordet wurde. Der Stolperstein wurde auf Initiative der Eisenbahnergewerkschaft EVG am 29.4. 2019 verlegt. (Ende der Route)
Rundgang 2 (westliche Route)
(09) Vor dem Haus im Ilsensteinweg 11 liegt ein Stolperstein für den Eisenbahner-Gewerkschafter Otto Janssen, der aufgrund seiner politischen Gesinnung von den Nazis verfolgt und ermordet wurde. Der Stolperstein wurde auf Initiative der Eisenbahnergewerkschaft EVG am 29.4. 2019 verlegt.
(10) In der Spanischen Allee stand früher das Sanatorium Schlachtensee, heute das Hubertus-Krankenhaus. Von dort sind sechs Schlachtenseer Juden deportiert worden.
Spanische Allee 8: Johanna Königsberger, geb. Fränkel, geboren am 21.10.1864 in Berlin, deportiert mit dem 27. Alterstransport am 22.07.1942 nach Theresienstadt und dort am 06.09.1942 ermordet. Sie lebte vorher im Ilsensteinweg 16 ( d )(damals Albrechtstraße) und war eine vermögende Modeschmuckfabrikantin. (https://schlachtenseesite.wordpress.com/ilsensteinweg-16/ )
Über die meisten anderen kennen wir nur wenig mehr als ihre Daten aus dem Gedenkbuch. Spanische Allee 10/12:
Sophie Goldschmidt, geb. Wolf wurde am 28.03.1859 in Bleicherode (Grafschaft Hohenstein/Sachsen) geboren und mit dem 7. Alterstransport am 18.06.1942 nach Theresienstadt gebracht und dort am 03.07.1942 ermordet.
Emma Weigert, geb. Pappenheim wurde am 28.03.1861 in Berlin geboren und mit dem 52. Alterstransport am 28.08.1942 von dort nach Theresienstadt deportiert und dort am 12.09.1942 ermordet.
Anna Loewenberg wurde am 20.12.1869 in Berlin geboren und mit dem 62. Alterstransport am 11.09.1942 von dort nach Theresienstadt deportiert und ist dort ermordet worden.
Johanna Stahl, geb. Lehmann wurde am 12.08.1886 in Berlin geboren und mit dem 39. Transport am 28.06.1943 von dort nach Auschwitz deportiert und ist dort ermordet worden.
Über Theodor Loewenthal wurde erst nach der Verlegung des Stolpersteins mehr bekannt. Seine Enkeltochter lebt seit 2012 in Berlin und hat schon 2013 einen Stolperstein für ihren Großvater vor dem Wohn- und Geschäftshaus der Familie in der Lietzenburger Straße 32 (damals: Achenbachstraße 4) verlegen lassen. Sie hat dafür auch sein Leben ausführlich und liebevoll beschrieben. (https://www.stolpersteine-berlin.de/biografie/5137 )
Theodor Loewenthal wurde am 04.03.1861 in Zeitlitz/Böhmen geboren. Mit frühen Jahren kam er nach Berlin und baute sich eine eigene Existenz auf. Bis zu dem erzwungenen Verkauf 1938 besaß er ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem er eine Wurst- und Fleischwarenfabrik betrieb. 1939 zog er in das Altersheim in der Spanischen Allee ein, das er aber im Januar 1942 verlassen musste und in eine „Judenwohnung“ am Bayerischen Platz 3 eingewiesen wurde. Von dort wurde er mit dem 17. Alterstransport am 08.07.1942 nach Theresienstadt deportiert und ist dort ermordet worden.
(11) Für Miszyslaw Nathanblut (polnisch: Natrowski) wurde am 13.09.2022 nach Recherchen von Schüler:innen des Werner-Von-Siemens-Gymnasium der Stein vor dem Haus in der Kurstraße 3 verlegt. Miszyslaw Nathanblut war Musiker, Künstler und Philosoph. Er wurde am 14.1.1882 in Warschau geboren und zog mit dem Alter von 6 Monaten mit seinen Eltern nach Berlin und arbeitete später als selbständiger Musiker und Lektor bei dem Verlag Oesterheld und Co. Außerdem war er Schriftsteller und veröffentlichte unter dem Namen Animatus. 1911 zog er in die Kursstraße 3 (Berlin, Schlachtensee) in ein Mansardenzimmer ein. Unter den Nazis wurde ihm seine nach dem 1. Weltkrieg erlangte deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogen. Schließlich wurde auch er am 19.1.1942 mit dem 9. Osttransport nach Riga deportiert und dort ermordet.
(12) Vor dem Zugang zur Tewsstraße 21 wurde am 15.08.2013 der Stolperstein für Arthur Sello verlegt.
Arthur Sello wurde 1872 in Bojanowo (Provinz Posen) geboren, er wuchs in Deutschland auf und ließ sich mit 14 Jahren taufen. Er studierte Jura und wurde als Soldat im 1. Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. In den zwanziger Jahren war er als Landgerichtsrat an verschiedenen Orten tätig, bis er 1926 an das Berliner Kammergericht kam und 1927 Vorsitzender des neu errichteten Landesarbeitsgerichts wurde. Sellos Bemühungen um die Entwicklung und Verbesserung des Arbeitsrechts fanden 1933 durch seine zwangsweise Beurlaubung ein jähes Ende. Angesichts der Diskriminierungen emigrierten von den vier Kindern zwei Töchter.
„Unsere fröhliche sechsköpfige Familie beieinander– dies gab es nach 1934 nicht mehr“, schrieb seine Tochter Maria später. Das Ehepaar Sello konnte sich zur Emigration nicht entschließen.
Arthur Sello hoffte, gestützt auf seine optimistische Grundeinstellung und seinen Glauben, noch auf eine Wende zum Besseren und fand Rückhalt in den Bekenntnisgruppen der Kirchengemeinde Schlachtensee und leitete selber einen Hausbibelkreis für „nicht-arische Christen“. Seine Tochter, Maria Sello, war ebenfalls in der Bekennenden Kirche aktiv.
Obwohl Arthur Sello in „privilegierter Mischehe“ lebte und zunächst nicht unmittelbar bedroht war, wuchs in den Kriegsjahren ständig die Angst der Familie vor der Deportation.
Bei einem Fliegerangriff am 6. März 1944, bei dem auch die Johanneskirche schwer beschädigt wurde, wurde er durch eine Fliegerbombe getötet.
(13) Beim Reifträgerweg 19 liegt der Stolperstein für Friedrich Rudolf Guttstadt (geboren 1881 in Berlin) seit dem 26.04.2013.
Er wuchs in Berlin auf und studierte Jura in Straßburg. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Offizier teil und wurde mit dem EK 1 ausgezeichnet. In den zwanziger Jahren war er als Reichswirtschaftsgerichtsrat tätig. 1933 wurde er zwangsweise in den Ruhestand versetzt, da seine Großeltern Juden waren. Die von ihm geförderte und hochgeschätzte Akademische Turnverbindung Cheruscia-Burgund legte ihm den Austritt nahe.
1934 ließ er das in den 90er Jahren abgerissene Haus im Reifträgerweg 19 bauen, in dem er nach der Pogromnacht 1938 von der Gestapo verhaftet wurde. Ein Zeitzeuge berichtete: Als er damit rechnen musste, verhaftet zu werden, zerbrach er seinen Offiziersdegen und warf ihn in die Mülltonne. Als kranker und gebrochener Mann kehrte Friedrich Rudolf Guttstadt aus dem KZ Sachsenhausen zurück und starb kurze Zeit später.
(14) Im Kirchblick 3, keine 250m von der Kirche entfernt, wurden für die Familie Casparius 2014 Stolpersteine Der Kaufmann Richard Casparius (geboren 1883 in Bärwalde) und seine Ehefrau Hilda (geboren 1893 in Berlin) zogen im Sommer 1923 hier zusammen mit ihrer dreijährigen Tochter Gerda ein. Zwei Monate später wurde ihr Sohn Alfred geboren.
Dort lebten sie knapp 16 Jahre lang bis zur Enteignung im März 1939. Noch im gleichen Monat emigrierte der Sohn Alfred in die Niederlande, einen Monat später flüchtete Gerda nach England.
Das Ehepaar Casparius wohnte nach der Vertreibung aus ihrem Haus im Kirchblick in der Schloßstraße in Steglitz. Richard Casparius erkrankte Anfang 1942 schwer und starb im Februar 1942. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beigesetzt.
Ein Jahr später, am 1. März 1943 wurde Hilda Casparius mit dem 31. Osttransport nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Todestag ist nicht bekannt.
Der Sohn Alfred Casparius wurde in den Niederlanden mit 19 Jahren in das Lager Westerbork – wie die Flatows, siehe S. 15 -eingeliefert. Dort fand er in dem Mitgefangenen Max Pander einen väterlichen Freund. Pander war Uhrmacher und arbeitete zusammen mit Alfred in einer Lager-Werkstatt für Uhren- und Brillenreparaturen. Als Alfred nach Auschwitz deportiert werden sollte, konnte Max Pander dies verhindern. Er selbst wurde jedoch 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Bis 1944 wurden über 100.000 Menschen aus Westerbork mit dem Zug in verschiedene Konzentrationslager deportiert und dort umgebracht. Am 12.04.1945 gehörte Alfred zu den ca. 900 Gefangenen, die in Westerbork von den Alliierten befreit wurden. Zwei Jahre später emigrierte er zusammen mit seiner Schwester Gerda nach New York. In Amerika heiratete er und lebte mit seiner Familie in Florida, wo er 2008 verstarb. (Quelle: u.a. ITS Arolsen)
Am 15.09.2014 wurden zusammen mit Konfirmanden der Gemeinde die vier Stolpersteine für die Familie Casparius vor dem Haus verlegt.
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